„Wir bitten um Entschuldigung“

Nachdem ich in den letzten Monaten corona-bedignt fast ausschliesslich im „Home Office“ gearbeitet habe, fuhr ich am 1. Juni das erste Mal wieder zu meinem eigentlichen Arbeitsplatz – wie üblich mit der S-Bahn. Da an diesem Tag auch die Gültigkeit des „9 Euro-Tickets“ begann, war auch im Nahverkehr mit sehr vollen Zügen zu rechnen. Ich suchte mir daher eine Bahn aus, die laut Auskunft des VRS nur zu ca. 60% ausgelastet sein sollte.  Soweit die Theorie – die Praxis sah leider anders – nämlich eher nach 80 bis 90% aus. Noch verstärkt durch ein guts Dutzend Kontrolleure der DB Regio …

Wobei ich noch zu den Glücklichen gehörte, die Richtung Köln und nicht nach Siegburg oder gar ins Windecker Ländchen fahren wollten (oder mussten): Für diese Richtung wurde die Verspätung oder gar der Entfall von Zügen angesagt. Mal Begründet mit einem „kurzfristigen Personalausfall“, einer Reparatur auf der Wegstrecke oder Verspätung aus einer vorangegangenen Fahrt. Stets schlossen die  Durchsagen mit dem Satz „Wir bitten um Entschuldigung.“

Die Rückfahrt an diesem Tag war für die Sieg-Strecke ohne böse Fahrplanüberraschungen, Fahrgäste, die die mit der RB 25 nach Gummersbach und weiter nach Lüdenscheid wollten, durften sich allerdings auf Zugausfälle freuen, aufgrund was auch immer …

Am Mittwoch fuhr ich später ins Büro, machte dafür früher Schluss 🙂 Da ich in der Bahnhofsbuchhandlung noch etwas kaufen wollte, stieg ich diesmal am Hbf. ein, d. h. ich wollte einsteigen, doch kaum auf dem Bahnsteig hörte ich schon die „frohe Botschaft“: „S 19 Ri. Hennef hat ca. 40 Minuten Verspätung. Heute nur bis Köln-Deutz. Grund dafür sind Arbeiten am Gleis. Informationen über Anschlussmöglichkeiten eerhalten Sie im Zug. Wir bitten um Entschuldigung.“ Die Bahn kam, ich stieg ein und bekam die „Anschlussmöglichkeiten“ zu hören: „Dieser Zug fährt heute nur bis Köln-Deutz und wendet dort. Fahrgäste, die weier als bis Köln-Deutz fahren wollen, nehmen bitte die nachfolgende S-Bahn.“ Hey, fehlte da nicht was? Richtig, keine Bitte um Entschuldigung … Eine fast wohltuende Ehrlichkeit.  Denn ich will keine Entschuldigungen mehr hören! Ich möchte einfach nur einen funktionierenden, pünktlichen Nahverkehr,auf den ich mich verlassen kann!  Die Deutsche Bahn AG erwartet schliesslich auch, dass ich mein Abo pünktlich zahle! Ob die DB AG genauso geduldig und verständnisvoll reagiert, wenn ich dem nächsten Kontrolleur sage: „Meine Zeitkarte hat heute leider 40 Minuten Verspätung. Grund dafür ist eine ausgefallene Kaffeemaschine, Ich bitte um Entschuldigung!“ …

Detlef

 

 

Die Fahrgäste sind Schuld !…

Letzten Donnerstag (18.01.2018) zog das Sturmtief „Friederike“ über Europa und hinterliess stellenweise eine Spur der Verwüstung. Zahlreiche Flughäfen und Bahngesellschaften stellten ihren Betrieb ein – so auch die Deutsche Bahn in Nordrhein-Westfalen.

Auch am Freitag Morgen fuhren auf der Rhein-Sieg-Strecke noch keine Züge. So war  ich  froh, dass meine Frau mich auf der Arbeit vorbei bringen konnte. Bis zum Nachmittag sollte sich die Situation weitgehend normalisiert haben, die Bahnen grösstenteils wieder nach Plan fahren.

So stand ich dann also am Freitag Nachmittag auf dem Bahnhof Ehrenfeld und wartete auf die S-Bahn, die planmässig um 15:34 fahren sollte. Durchsagen für andere Bahnlinien liessen befürchten, dass auch die S 19 nicht pünktlich sein würde.

Die nächste Ansage bestätigte meine Vermutung: „S 19 Richtung Blankenberg. Heute ca. 15 Minuten Verspätung. Grund dafür sind Verzögerungen beim Ein- und Ausstieg“.

Ein anderer Fahrgast und ich gucken uns erstaunt an – „Haben wir richtig gehört?“ scheinen wir uns stumm gegenseitig zu fragen. Dann prusten wir Beide los: „DEN kannte ich noch nicht! Der muss neu sein!“. „Jetzt wissen wir endlich, wer an den ganzen Verspätungen wirklich Schuld hat: Die Fahrgäste!“ setze ich nach.

Als Berufspendler bekommt man im Laufe der Jahre ja alle möglichen (und unmöglichen) „Begründungen“ für Verspätungen zu hören:

Für „die Personen im Gleis“ oder gar den „Notarzteinsatz im Gleis“ bzw. „am Zug“ kann die Bahn natürlich nichts. In der Regel ruht bei diesen Meldungen der Zugverkehr auf der gesperrten Strecke jedoch in der Regel für mehrere Stunden. Für den Fahrgast bedeutet fast immer, dass er zusehen kann, wie er sein Ziel auf einem anderen – zumeist längeren – Weg erreicht – sofern er das Glück hat, dass seine Bahn gerade an einem Haltepunkt oder Bahnhof steht, denn auf freier Strecke wird der Zugführer die Türen –  aus verständlichen Gründen – nicht öffnen: Er hätte sonst direkt die nächsten Personen im Gleis. Man ist also womöglich über mehrere Stunden im Zug „gefangen“ – ohne Toilette, ohne Klimaanlage, ohne Möglichkeit, etwas zu Trinken zu bekommen …

Harmlos dagegen- und für den Fahrgast nachvollziehbar – ist der „Wagenschaden“ oder die „feststehende Weiche“. Besonders bei Extrem-Wetter immer wieder gern genommen.

Bei der „Verspätung eines voraus fahrenden Zuges“ weiss man als langjähriger Bahnpendler, dass mal wieder ein höherrangiger Zug, der die gleichen Gleise benutzt, den Fahrplan nicht einhalten konnte – und da die S-Bahn ganz unten in der DB-Hierarchie steht, heisst es dann warten, bis der andere Zug an einer Ausweichstelle überholt hat..

Fast schon dreist empfinde ich allerdings die „Verzögerungen im Betriebsablauf“ bzw. die „Verspätung des vorangegangenen Zugumlaufs“ – gibt die Deutsche Bahn hier doch schön verklausuliert zu, ihre eigenen Zeitpläne nicht einhalten zu können.

Die „Verzögerungen beim Ein- und Ausstieg“ sind da die logische Konsequenz – und eine schallende Ohrfeige für jene, denen pünktlich jeden Monat das Geld für ihre Abo-Karte vom Konto abbuchen lassen! Denn kackfrech wälzt die Bahn hiermit die Schuld auf den Fahrgast ab, so, als wollte sie sagen: :“Wir wären ja pünktlich, wenn der Fahrgastwechsel nicht so lange dauern würde …“. Klar, was soll denn der arme Zugführer auch anderes machen, als mehr oder weniger (meist eher weniger) freundlich aufzufordern „Machen Se die Türen frei, damit mer weiterfahren können. Mer sin eh schon zu spät!“ Danke, genau solche Aufmunterung braucht man als Pendler am Morgen, nachdem man sich bis in den Gang „vorgekämpft“ hat („Net em Türbereich stonn blieve!“), in der Hoffnung, am Zielbahnhof trotz der Menschenmassen vor einem schnell genug zum Ausgang zu kommen. bevor sich die Türen wieder schliessen. Längere Züge könnten hier helfen, oder auch Doppelstockwagen …

Dass es auch anders geht, beweisen einige wenige Zugführer. So kam letztens, als es wie aus Eimern schüttete und die S-Bahn wieder mal einen Regionalexpress vorlassen musste, die Durchsage: „Liebe Fahrgäste, es tut mir leid, dass wir warten müssen, damit der RE vorbei kann. Sehen Sie es positiv: Hier in der Bahn ist es muckelig warm und trocken. Manch ein Mundwinkel wanderte von unten nach oben.  Als dann der RE vorbeirauschte und der Zugführer meinte „Das ist der Kerl, wegen dem wir warten mussten. Jetzt geht es gleich weiter. Vielen  Dank für Ihre Geduld“ , ging ein Lachen durch den Zug, die Verspätung war vergessen! Und als am  Kölner Hauptbahnhof die Durchsage ´kam „Ich bedanke mich nochmals für Ihre Geduld und Ihr Verständnis für die Verspätung und wünsche allen hier aussteigenden Fahrgästen noch einen schönen Tag“ gab es Applaus für den Zugführer. Wenn es nur mehr von dieser Sorte gäbe …

Detlef